Wie die Christen sich ihren Gott erschufen.
Die Entzauberung einer Weltreligion durch die wissenschaftliche Forschung
Tectum Verlag, 2011, 380 Seiten, Hardcover, 19.90 Euro
Geistreiche Aufklärung über die wundersame Gottwerdung Jesu
Nachdem ich in den letzten Jahren bibel- und kirchenkritische Bücher von Buggle, Deschner, Lüdemann und anderen gelesen habe, war ich mir nicht sicher, ob es sich für mich lohnen würde, nun auch noch den „Jesuswahn“ von Kubitza zu studieren. Es hat sich gelohnt, sogar schon bevor ich das Buch in den Händen hatte. Denn der Autor hat etliche Leseproben auf jesuswahn de zur Verfügung gestellt.
Kubitzas Beitrag zur „religiösen Ausnüchterung“ hat das Potential, zu einem Standardwerk populärwissenschaftlicher Bibelkritik zu werden. Sein erster Satz lautet: „Die Bibel ist das am meisten überschätzte Buch der Weltliteratur.“ (S. 9) Schon das erste Kapitel („Der peinliche Gott des Alten Testaments“) demonstriert eindrucksvoll, dass sich auf den Macht- und Rachephantasien nomadisierender Wüstenbewohner keine akzeptable Ethik aufbauen lässt. Wer sich der Illusion hingibt, der Autor habe nur einzelne Stellen aus dem Zusammenhang gerissen, möge zur Strafe das gesamte AT lesen.
Wichtiger ist aber der Rest des Buchs, denn die Christenheit definiert sich ja über den Jesus, der schon wenige Jahrzehnte nach seinem schmachvollen Tod am Kreuz (oder Pfahl?) zum göttlichen Christus weiterentwickelt wurde. Hier legt der promovierte Theologe detailliert dar, wie Jesus zuerst von Paulus, der sich für den historischen Jesus nicht interessierte, und dann von den vier amtlich zugelassenen Evangelisten die Gottessohnschaft angedichtet wurde. Man braucht ja eigentlich nur jede Aussage des Markus mit den folgenden drei Evangelien zu vergleichen, um zu merken, dass diese Erzählungen vorne und hinten nicht stimmen. Der eine „weiß“ dies, der andere jenes, und oft wird nicht miteinander Vereinbares zum gleichen Sachverhalt berichtet. Diese mühselige Arbeit nimmt uns jedoch der Verfasser ab und zitiert im fortlaufenden Text die entsprechenden Stellen, so dass man nicht ständig in der Bibel oder in einem Anhang nachschlagen muss. Natürlich geht er dabei immer wieder auf interessante Überlegungen und Ergebnisse der kritischen Theologie ein. Am Ende bleibt vom Jesus der Sonntagspredigten („die am meisten überschätzte Person der Weltgeschichte“) nicht viel übrig: „Der Christus der Kirche ist ein Geschöpf dieser Kirche selbst, nicht er hat die Kirche begründet, sondern die Kirche hat Christus begründet.“ (S. 233)
Kubitza schreibt intelligent, flüssig, unterhaltsam, pointiert und ohne theologische Laien zu überfordern. Besonders gut haben mir – zum Thema passend – seine häufigen bildlichen Vergleiche gefallen.
Wer sich nicht speziell für die Debatte „Kreationismus vs. Evolutionslehre“ interessiert, sollte sich lieber Kubitzas „Jesuswahn“ als den „Gotteswahn“ von Dawkins zulegen.
Wolfgang Klosterhalfen