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Kritik am Ethiklehrbuch „Abenteuer Ethik 2“, Klasse 9 / 10

Unter dem Aspekt der Religionskritik habe ich mehrere Ethiklehrbücher, so auch das Ethiklehrbuch „Abenteuer Ethik 2“, das für die 9. und 10. Klasse gedacht ist, durchgearbeitet.

Von den 4 Büchern, die ich bisher bewertet habe, nimmt dieses Buch die Spitzenposition ein. Ich konnte nicht nur den allermeisten Themen und Inhalten zustimmen, sondern ich fand in diesem Buch außerordentlich bemerkenswerte Aussagen, die sich gewiss selten in Lehrbüchern finden lassen. So fand ich z.B. zum Thema „Gewalt“ den Standpunkt: „Das Opfer bestimmt, ob ihm Gewalt angetan wurde.“ (S. 91) Das ist ein Satz, den unterdrückte Minderheiten in unserem Land unter Tränen lesen, wie ich es in meinem eigenen Bekanntenkreis erfahren habe. Leider keine Selbstverständlichkeit für unsere Gesellschaft. Es ist aber sehr hilfreich, wenn sich nun Schüler mit dieser Frage auseinandersetzen und die Welt von morgen damit humaner gestalten können. Auch die Ausführungen zum Wandel von Weltbildern und zahlreiche weitere Abschnitte sind sehr gelungen.  Gefreut habe ich mich auch darüber, dass zeitgenössische Philosophen wie Dieter Birnbacher, Peter Singer, Gerhard Streminger und Edgar Dahl zitiert wurden. Philosophen, die uns wirklich etwas zu sagen haben, die aber in der politischen Auseinandersetzung gern mundtot gemacht werden. Danke an die Redaktion.

Trotzdem bin ich nicht nur zufrieden mit diesem Buch. Die Darstellung der Religionen erfolgt sehr zurückhaltend und positivierend. Man merkt sofort, dass die Autoren dieses Buches sich an diese Themen nicht wirklich heran gewagt haben. Entsetzt bin ich über die Aussage, dass sich das Christentum wegen der „Nächstenliebe“ so schnell verbreitet haben soll, also nicht durch Christianisierung unter Anwendung verschiedener Formen der Gewalt (S. 223). An entsprechender Stelle werde ich darauf noch näher eingehen.

Im Folgenden kommentiere ich mit Verweis auf den Abschnitt und die Seite – die Stellen – die ich für kritikwürdig oder auch für besonders lobenswert / fortschrittlich halte.

Kapitel: Sich selbst finden

  • Auf Seite 30/31 geht es um Rituale des Abschiednehmens (Sterbens). Der Abschnitt beschäftigt sich mit verschiedenen Unterthemen, die eine vielschichtige Sicht auf das Sterben und einen kompetenten Umgang mit trauernden Menschen ermöglichen. Man hätte allerdings gern auch noch über den Tellerrand des Friedhofs blicken können und weitere Bestattungsmöglichkeiten, Friedwälder, Seebestattung oder Asche verstreuen im Garten ansprechen können.

Kapitel: Frei und verantwortungsvoll handeln

  • Das auf der Seite 62/63 erstmals vorgestellte Projekt Weltethos hat den Makel, dass es nur für Religionen gilt, also Atheismus außen vorlässt. Insofern müsste es Religionsethos heißen. Die Welt, das ist mehr als Religionen. Hans Küng hat gewiss einen Verdienst, indem er Religionen humanisiert. Jedoch ist diese Vorgehensweise auch gefährlich, denn sie legiert Inhumanes mit Humanem. In diesem Abschnitt werden erst einmal ganz allgemeine Aussagen zur Ethik des „Projektes Weltethos“ getroffen, die in ihrer Gültigkeit nicht abhängig von Religionen sind. Jedoch sollte bei der Beschäftigung mit diesem Thema auch immer kritisch gesehen werden, dass dieses Projekt den Atheismus ignoriert, was wiederum ethisch nicht besonders anspruchsvoll ist.                                          

Kapitel: Mit anderen leben

  • Das Gedicht von Erich Fried: „Die Gewalt“ war eine ausgesprochen gute Wahl. Wo fängt Gewalt an? – „Die Gewalt herrscht, wo irgendwer oder irgendwas zu hoch ist oder zu heilig um noch kritisiert zu werden.“ – „wo die Kritik nichts tun darf sondern nur reden und die Heiligen und die Hohen mehr tun dürfen als reden.“ – „Recht ist, was wir tun. Und was die anderen tun, das ist Gewalt.“ – Diese Formen der strukturellen Gewalt anzusprechen, das traut man sich nicht überall. Dabei ist das von so zentraler Bedeutung für die Auseinandersetzung mit Gewalt in unserer Gesellschaft, für die Überwindung solcher Gewaltformen. Danke!                                                         
  • Ebenso die Aussage auf der nächsten Seite: „Deshalb raten Praktiker und Gewaltforscher dazu, dass das Opfer und nicht der Täter die Definitionsmacht haben sollte.“ – In diesem Zusammenhang könnte man sich mit unterdrückten Minderheiten in unserem Land beschäftigen. Eine transsexuell geborene Frau, der ich von diesem Satz im Ethiklehrbuch schrieb, antwortete mir:                                                                                                                 

„Wir waren uns kürzlich einig, dass es eine herausragende Erkenntnis ist, dass die Definitionsmacht, ob etwas Gewalt ist oder nicht, bei den Opfern liegen muss. Und herausragend war vor allem, dass
diese Erkenntnis in einem Ethiklehrbuch für die Schule publiziert wurde.

Nun, wenn die Definitionsmacht bei den Opfern liegen würde, dann dürfte mir nicht widersprochen werden, wenn ich sage, dass ich als Kind gefoltert wurde. Da die Definitionsmacht aber nicht
bei mir liegt, muss ich mir immer wieder anhören, dass man mir doch keine Folter angetan hätte, sondern lediglich eine Aversionstherapie durchgeführt hätte.

Wenn die Definitionsmacht bei den Opfern liegen würde, dann dürfte mir nicht widersprochen werden, wenn ich die Gesellschaft beschuldige, dass man mir unglaubliches Leid durch unterlassene medizinische Hilfeleistung angetan hat, indem man zugelassen hat, dass ich die schlimmste Entstellung erleben musste, die ein Mädchen erleben kann.“                                                                                                                                                                                                                                    
Für solche Gewalt betroffenen Menschen war dieser Satz gedacht. Und hier setzt der Sinn eines Ethikunterrichtes an, dass die Gesellschaft versteht, wo sie bisher nicht verstehen wollte. Eine ähnliche Aussage hätte zum Beispiel auch von einem intersexuellen Menschen kommen können.                          

Kapitel : Religionen kennen und achten

  • Die Aufgabe 8 auf Seite 103 beschäftigt sich mit antijüdischen Parolen der Neonazis. Diese Form der Ergründung des Antijudaismus ist jedoch ohne weitere Ergänzungen zu oberflächlich. Woher kam der Judenhass? Aufrichtiger Weise sollte man die Ursache im Christentum suchen. Christen machen die Juden dafür verantwortlich, dass sie ihren Halbgott „Jesus“ hingerichtet hätten. Aus diesem Vorwurf resultiert eine Jahrhunderte lange Judenunterdrückung durch das Christentum, angefangen von Versklavung, über diverse Verbote für die Juden, Zwang zum Tragen des Judensterns, über Martin Luthers Buch „Über die Juden“ mit seiner Aufforderung, ihre Häuser brennen zu lassen bis hin zur massenweise Ausrottung der Juden im vergangenen Jahrhundert. Woher kam die Idee der Nazis, ausgerechnet die Juden auszurotten? – Ohne eine ehrliche Geschichtsbewältigung werden wir es wohl nie schaffen, Vorurteile abzubauen.                                                
  • Auf Seite 102 – 107 möchte man mit dem Judentum bekannt machen. Man beschäftigt sich dabei aber nicht mit seinen wesentlichen Inhalten, sondern mehr mit dem Kult, der im Judentum getrieben wird. Welchen ethischen Wert hat denn die Thora?                                         
  • Statt das Wesentliche am Christentum zu erklären und damit eine Grundlage für die Bewertung missionarischer Handlungen zu schaffen, beginnt der Abschnitt über das Christentum mit einem der Erlebnisse, mit denen christliche Missionare auf Kinderfang gehen. Schaut, da gibt es etwas, wovon sich 150.000 Jugendliche angezogen fühlen – ein Massenevent – geil! Der TAZ Artikel zu einem Taize ähnlichen Event vom 02.08.2010 , beschreibt sehr anschaulich, wie Jugendliche zum Missionieren beworben werden:                                                                                                                                                         „In Workshops geht es um Techno-DJing, Selbstverteidigung oder Geocaching, die GPS-Schnitzeljagd. Die Teilnehmer bekommen Rabatt bei McDonalds, das Logo des Kongresses sieht aus, als bewerbe es die neueste Version der Playstation. Dass Teenstreet bei Facebook und Twitter ist, versteht sich von selbst. Über Nacht wird eine tägliche Kongresszeitung in allen Sprachen gedruckt. Alles bei Teenstreet ist bunt, poppig, laut, schnell – und höchst professionell.“ ……                                                                                                                                                                                                                   „Zum 18. Mal hat das evangelikale Missionswerk „Organisation Mobilisation“ (OM) zu seinem „Teenstreet“ genannten Jugendkongress eingeladen. In seiner Selbstdarstellung schreibt OM, dass es „Teens anleiten will, missionarisch und kompromisslos zu leben“.“                                                                                                                    
  • Mit der Methode, mit Taize für das Christentum zu werben, haben sich die Autoren dieses Ethikbuchs leider selbst an der Missionierung beteiligt. Dies ist abzulehnen!
  • „Es gibt Christen, die wissen, dass die Kirche nicht für sich selbst da ist, sondern für die Welt.“ steht da auf Seite 109.       Wer bestimmt denn, wofür die Kirchen da sind? Was kann man dazu wissen? Kirchen haben sich entwickelt unter Ausnutzung des Glaubens von Menschen. Es haben sich Hierarchen gebildet. Und in denen ist man insbesondere für die oberste Hierarche da. – Mit „sondern für die Welt“ kann natürlich auch gemeint sein, dass die Kirchen es als ihre Aufgabe ansehen, die ganze Welt zu missionieren. …                          
  • Auf Seite 110 stehen die „zehn Gebote“ unzulässig verkürzt. – Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich hassen.“ [2] – „Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen.  … Wer bei einem Vieh liegt, der soll des Todes sterben.  … Wer den Göttern opfert und nicht dem HERRN allein, der sei verbannt.“ [3]           – Warum werden diese Aussagen, die ebenfalls in den 10 Geboten stehen, immer weg gelassen? Eine selektive Vermittlung der Bibel wird nicht dazu beitragen, dass sich unsere Kinder später ethischer verhalten. Sie wird allenfalls einen Beitrag dazu leisten, dass auch unsere nachfolgenden Generationen unaufrichtig sind. Warum kann man nicht darüber reden, dass eben auch diese grausamen Aufforderungen in der Bibel stehen, dass zu einem ethischen Verhalten aber gehört, sich nicht an irgendwelchen Aufforderungen zu orientieren, sondern stets selbst zu prüfen, ob eine Handlungsweise human ist oder nicht?
  • Die Abschnitte M3 – M7 auf Seite 110 / 111 beschäftigen sich mit der Bergpredigt. Diese wird ja gern als Glanzstück des Neuen Testaments bezeichnet. Ist sie das aber wirklich? Gerhard Streminger schreibt dazu in seinem Aufsatz „Die Jesuanische Ethik“:                                                                                         
  • „Auch [in der Bergpredigt] geht es im Grunde nicht um das Schicksal anderer, sondern um das eigene Seelenheil. Worauf es wirklich ankommt, wird deutlich gesagt: Sammelt nicht Schätze auf Erden, wo Diebe nach graben und sie stehlen, sondern sammelt Schätze im Himmel! Jede Seligsprechung verkündet eine Belohnung: Am Schluss werden jene, die die Gebote befolgen, „klug“, und jene, die es nicht tun, „töricht“ genannt. Selbst in der Bergpredigt geht es also nicht um menschliche Gemeinschaft oder gar um das Wohl der Menschheit als einen Wert ansich, sondern um die eigene Besserstellung: Sei klug, vermeide die Hölle, sammle himmlische Schätze! „Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr es einem dieser geringsten nicht getan habt, habt ihr es auch mir nicht getan. Und diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.““ [4]                                                                                                        
  • Man sollte also nicht die Bergpredigt unreflektiert glorifizieren, sondern dann, wenn man sie behandelt, auch kritisch beleuchten.                                                                                                             
  • Die Goldene Regel in der Bergpredigt ist eben nicht, wie unter M6 behauptet, der „ethisch-moralische Grundsatz schlechthin“. Sie ermöglicht dem Handelnden, sich nur an seinen eigenen Begehrlichkeiten zu orientieren. Erklären lässt sich damit zum Beispiel das Beten von Christen für Juden (sehr anmaßend; gerade auch vor dem geschichtlichen Hintergrund!) oder das Bemühen christlicher Organisationen, Homosexualität zu „heilen“ (womit die Diskriminierung homosexueller Menschen noch potenziert wird). Die Goldene Regel, die keine Erfindung des Christentums ist, ist zwar im Allgemeinen sehr begrüßenswert. Man sollte sich dabei aber immer erfolgreich in die Lage des anderen versetzen.                                                        
  • Der Abschnitt: „Die Entstehung der Bibel“ zeigt nicht das ganze Ausmaß, das zur Verfälschung der ursprünglichen Texte des Neuen Testaments beitrug, dass es durch Abschreiben, Übersetzungen von Übersetzungen, Auslassen und Hinzufügen zu mehreren 1.000 Varianten kam.                                                                                                                                                  
  • Ist die Bibel wirklich ein Bestseller (M3, S. 113)? Wie häufig wurde die Bibel verschenkt, um zu missionieren? Wie häufig wurden Menschen zum Kauf gezwungen? Wie häufig wurden Menschen durch erfolgreiche Missionierung dazu gebracht, sich die Bibel zu kaufen? – In diesem Zusammenhang sollte man sich unbedingt damit beschäftigen, was das Wesen einer missionarischen Religion ist. Interessant ist die Quelle des Abschnittes M3: www.weltbibelhilfe.de,        des Internetauftritts der Deutschen Bibelgesellschaft:                                                                                                                                                                             „Die Deutsche Bibelgesellschaft  ist eine kirchliche Stiftung des Öffentlichen Rechts. Sie gibt im Auftrag der EKD die Luther-Bibel heraus und fördert die weltweite Bibelverbreitung im Verbund der United Bible Societies.“                                                                                                                                                                                                                                                      „Die Deutsche Bibelgesellschaft hilft dieses Jahr zu Weihnachten besonders den vielen neuen Christen in China. Mit Spenden der Aktion Weltbibelhilfe können tausende neue Ausgaben der Chinesischen Bibel bei Amity Printing gedruckt werden.“                                                                                                                                                                                            „Viele Litauer leben immer noch in Armut, sind mutlos und oft ohne Perspektive. Und Christen spüren inzwischen einen stärker werdenden Gegenwind. Wir möchten deshalb als Bibelgesellschaft möglichst vielen Litauern auch weiterhin die Bibel nahe
    bringen. … Die
    Lit. Bibelgesellschaft arbeitet seit 1992 für die Verbreitung und Übersetzung der Bibel in Litauen. Seitdem ist sie Mitglied des Weltbundes der Bibelgesellschaften / UBS und arbeitet in Abstimmung mit den anderen nationalen Bibelgesellschaften der baltischen Staaten an Projekten zur Bibelverbreitung in Schulen, Kinderheimen und Kasernen.“                                                                                                                                                                                            „Mit Soforthilfe und Worten des Trostes will die Pakistanische Bibelgesellschaft die Flutopfer im Lande unterstützen.  …  Die Pakistanische Bibelgesellschaft plant, 50.000 Broschüren mit Bibeltexten an die Menschen zu verteilen.“                                                                                                                                                                                                        „Die Bibelgesellschaft in Rumänien hat ihren Arbeitsschwerpunkt in der Bibelverbreitung unter Schul- und Waisenkindern. … Wenn wir in Schulen, Kinderheime und Einrichtungen für Blinde kommen, dann geht es für uns nicht nur darum, einfach nur Bibeln zu verteilen. Wir legen Wert darauf, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, etwas von ihnen zu erfahren und sie dann zu ermutigen und neugierig darauf zu machen, die Bibel zu öffnen und in ihr zu lesen! Nur so haben unsere Besuche auch wirklich Sinn.“                                                                                                                                                                                      „Tausende Bibeln in über 45 Sprachen verteilt die Indische Bibelgesellschaft unter den Ärmsten Christen Indiens jedes Jahr. Sie können die Arbeit der Indischen Bibelgesellschaft unterstützen! DANKE.“                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 
  • Die Seiten 114 – 121 beschäftigen sich mit dem Islam. Man hätte sich bei diesem Thema auch damit beschäftigen können, wie das sein kann, dass man von Geburt an (also ohne Willensäußerung) Moslem wird und dass man Moslems bestimmte Eigenschaften zuordnet, z.B., an was sie glauben. Kann man in den muslimischen Ländern aus der Religion austreten? Was passiert mit Menschen, die kein Moslem sein wollen? Was passiert mit Menschen, die sich nicht an die Regeln halten, z.B. mit Frauen, die kein Kopftuch tragen oder die einen anderen Mann heiraten wollen als den, der ihnen zugewiesen wurde? Wenn das Autorenteam darauf keine Antwort findet, kann es sich gern erkundigen beim Verband der Ex-Muslime in Deutschland.                                                                                                                                            
  • Auf Seite 117 steht, dass der Koran Anweisungen für die Auseinandersetzungen mit Andersgläubigen enthalten soll. Das ist eine generelle Frage: Welche Anweisungen für die Auseinandersetzung mit Andersgläubigen enthalten die verschiedenen Religionen? Welche speziellen Anweisungen enthält also der Koran? Eine Antwort darauf bietet das Ethiklehrbuch nicht.  Ich habe zu dieser Frage solche Koran-Stellen gefunden:                                                                                                                                                                                       „89. Sie wünschen, dass ihr ungläubig werdet, wie sie ungläubig sind, so dass ihr alle gleich werdet. Nehmt euch daher keine Beschützer von ihnen, solange sie nicht auf Allahs Weg wandern. Und wenn sie sich abwenden, dann ergreift sie und tötet sie, wo immer ihr sie auffindet; und nehmt euch keinen von ihnen zum Beschützer oder zum Helfer.“                                                                                                                                                                            „3:118. O ihr, die ihr glaubt, schließt keine Freundschaft, außer mit euresgleichen. Sie werden nicht zaudern, euch zu verderben, und wünschen euren Untergang. Schon wurde Hass aus ihrem Mund offenkundig, aber das, was ihr Inneres verbirgt, ist schlimmer.“                                                                                                                                                                                                                                                                          „3:151. Wir (Allah) werden in die Herzen der Ungläubigen Schrecken werfen; deshalb, weil sie Allah Götter (zur Seite) setzten, wozu Er (Allah) keine Ermächtnis niedersandte; und ihre Wohnstätte wird das Feuer sein, und schlimm ist die Herberge der Ungerechten!“                                                                                              
               
  • Im Abschnitt „Die 5 Säulen des Islam“ steht das Glaubensbekenntnis: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt, und ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist.“ In diesem Zusammenhang sollte die Frage erlaubt sein, ob man bezeugen kann, dass es etwas nicht gibt. Wie geht das? Heute lebende Menschen haben Muhammad nie kennen gelernt. Wie können sie bezeugen, wer er war? – Möglicherweise fragen sich einige Schüler das selbst. Von daher ist es schon mal vorteilhaft, auf so ein Glaubensbekenntnis hinzuweisen. Da aber mit Sicherheit nicht alle Schüler so weit denken werden, sollten diese Fragen am Ende des Abschnittes gestellt werden.  
  • Auf Seite 120 schreibt unter M2 eine junge Muslimin: „Es gibt Vorkommnisse in der islamischen Welt, die nichts mit dem Islam zu tun haben. Zum Beispiel die Frauenunterdrückung und die Zwangsheirat.“ – Haben diese wirklich nichts mit dem Islam zu tun? Ich habe mich näher erkundigt und erfahren, im Koran wird den Männern erklärt, wen sie heiraten (oder verheiraten) dürfen. Die „Erlaubnis ihrer Familien“ wird erwähnt, aber von der Zustimmung der Auserwählten ist nicht die Rede. Die Zwangsheirat steht wohl zu keinem Koran-Vers im Widerspruch. Es kommt gar nicht der Gedanke auf, dass auch eine Frau eine Meinung haben könnte.
  • Leider gibt es bei der Beschäftigung mit dem Islam keine Auseinandersetzung mit den Themen 11. September, mit Selbstmordattentaten und Steinigungen. Insofern lässt sich sagen, dass die Autoren auch hier alles dafür getan haben, um Konfrontationen mit den Anhängern dieser Religion aus dem Weg zu gehen.

Kapitel: Gleichheit, Recht und Gerechtigkeit

  • Auf den Seiten 134 und 135 wird das Thema Homosexualität vorbildlich behandelt. Auch darin ist ein Qualitätssprung gegenüber den anderen Ethiklehrbüchern zu sehen, die dieses Thema ausgespart haben. Es ist für eine Ethik und für die Umsetzung der Menschenrechte unverzichtbar, die Probleme der Menschengruppen anzusprechen, die auch heute noch in diesem Land diskriminiert werden. Für homosexuelle Menschen hat sich in den letzten Jahren etwas zum Vorteil bewegt, aber die Homoehe ist deshalb immer noch nicht der konventionellen Ehe gleich gestellt (was leider vergessen wurde, anzusprechen). Auch Familien mit 2 Müttern sind rechtlich immer noch nicht der herkömmlichen Familie gleich gestellt (was ebenfalls im Text vergessen wurde). Zudem gibt es in den Köpfen vieler Menschen noch zu viele Vorurteile gegenüber homosexuellen Menschen.                                                                                                  
  • Es wäre zukunftsweisend und für die Betroffenengruppen Hoffnung schöpfend gewesen, wenn man auch auf die Menschenrechtsverletzungen bei anderen Minderheiten hingewiesen hätte. Zum Beispiel auf Geschlechtszuweisungen bei intersexuellen Kindern und auf den Umgang mit transsexuell geborenen Menschen.                                                                                                    
  • Besonders gefreut habe ich mich, dass unter „Recht und Moral“ auf Seite 147 der Medizinethiker und Philosoph Edgar Dahl (hier mit einer brillianten Stellungnahme zu „Du sollst nicht töten“) zitiert wurde. Edgar Dahl hat ohne Rücksicht auf die herrschenden Meinung viele interessante Stellungnahmen zu bioethischen Fragestellungen abgegeben, klar und nachvollziehbar. Gern hätte ich im Ethiklehrbuch noch Auszüge beispielsweise aus dem Spiegel-Artikel: „Die Würde des Menschen ist antastbar“ [5] oder aus seiner Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik gelesen. [6]

Kapitel: Mit Werten und Normen umgehen

  • Der Abschnitt M4 zu Gesinnungs- und Verantwortungsethik von Max Weber (S. 171) ist auch einer, über den ich mich besonders gefreut habe. – „Wenn jetzt in diesen Zeiten […] plötzlich die Gesinnungspolitiker massenhaft in das Kraut schießen mit der Parole: „Die Welt ist dumm und gemein, nicht ich; die Verantwortung für die Folgen trifft nicht mich, sondern die anderen …“    –  Hier wird einerseits hervorragende Kritik am System geübt, andererseits den Schülern aber auch vermittelt, dass sie mit Verantwortungsethik mehr Anerkennung erfahren werden.                                 
  • Die Musterbeispiele der moralischen Argumentation (S. 177) sind ebenfalls ein Highlight in diesem Buch. – „Nicht kritiklos der Meinung der Menge folgen, sondern einen unabhängigen Standpunkt einnehmen … ohne Rücksicht auf sich und andere … unabhängig von den Konsequenzen dem Gewissen folgen …“. Schüler dafür stark machen, nicht der Herde hinterher zu laufen, sondern eine eigene Meinung zu haben, die sie gut (moralisch) begründen können, die sie auch dann äußern, wenn sie wissen, dass sie damit im Moment noch keinen Beifall ernten werden – das ist eine zentrale Aufgabe des Ethikunterrichtes, die der im Moment noch weit verbreiteten Heuchelei ein Ende setzen könnte.                                                                                
  • Die Behandlung von Sokrates´Prozess wegen Gottlosigkeit und „Verderbung“ der Jugend ist lehrreich, da man sehen kann, dass auch schon damals – vor dem Christentum – Menschen, die nicht an die Existenz von Göttern glaubten, Gefahr liefen hingerichtet zu werden.                                                    
  • „Erkläre an einem Beispiel, dass es gefährlich sein kann, allgemeine „Gewissheiten“, die den Menschen Sicherheit versprechen, zu entlarven. (S. 181) – Das ist es, wovor viele Menschen zurück schrecken. Nicht nur, wenn sie etwas entlarven, was den Menschen Sicherheit verspricht, sondern auch dann, wenn sie etwas am herrschenden System kritisieren und damit die Sicherheit der Herrschenden tangieren. Ein Beispiel dazu wäre das Verhalten von Politikern, die durchaus Kritikwürdiges am System erkennen, sich dazu aber nicht äußern, weil eine solche Äußerung in diesem System das Aus für ihre persönliche Karriere bedeuten würde.

Kapitel: Wissen, Hoffen und Glauben                                                                                                                     

  • Ab der Seite 194 wird über ein neues Weltbild geschrieben und über die Konfrontation fortschrittlicher Wissenschaftler mit der Kirche an mehreren Beispielen. Auch dieses Verfahren möchte ich lobend hervorheben. Hier gibt es einen guten Ansatz zur Geschichtsbewältigung und zum Verstehen des Wesens der Kirche.                                                                                  
  • Auf Seite 197 gibt es einen wohl formalen Fehler. Kolumbus entdeckte nicht 1492 als erster Amerika, sondern es waren skandinavische Siedler ( Grænlendingar ) unter Leif Eriksson schon um das Jahr 1.000. Das wird allzu gern vergessen.                                                                                                                                 
  • David Humes Aussage auf Seite 201 zur Moral: „Der Mensch kann weder seine Moral auf göttliche Gebote stützen, noch kann er davon ausgehen, dass Gott seine Lebensführung in einem jenseitigen Leben belohnen oder bestrafen wird.“ ist ein Satz, der für die Ethik von zentraler Bedeutung sein sollte. Daher war es sehr wichtig, ihn mit in das Ethiklehrbuch aufzunehmen. David Hume trennt Moral und Religion strikt voneinander und sieht in der Religion eine Gefahr für die Moral. – Gerade deshalb, weil den Kirchen heute und hier – unrechtmäßig –  so eine außerordentlich hohe Moral zugesprochen wird und weil dies zu einer Bevormundung auch nichtchristlicher Menschen durch die Kirchen führt, brauchen wir solche Aussagen, wie die von Hume. Danke!                                                                                                                                            
  • Das Thema Sterbehilfe wird auf der Seite 207 angerissen. Begrüßenswert – und keineswegs selbstverständlich – ist es, dass hier nicht gegen die Sterbehilfe polemisiert wird. Ich meine jedoch, man hätte hier noch einen Schritt weiter gehen und über das aktuelle Tauziehen zur aktiven Sterbehilfe berichten sollen. Nach Aussagen der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) sind unsere Gesetze zum humanen Sterben nicht ausreichend. Den Schülern hätte man aufgeben können, darüber nachzudenken, in welchen Situationen eine aktive Sterbehilfe auch vom Staat toleriert werden könnte. Eine lesenswerte Geschichte dazu ist die von der DGHS ausgezeichnete Geschichte von Reto U. Schneider: „Bea geht“. [7]                                                                                    
  • „Das Christentum ist eine der drei monotheistischen Weltreligionen.“ steht auf Seite 210. In dieser Zusammenhang sollten die Schüler darüber sprechen, was unter monotheistisch zu verstehen ist und welche Religionen im Gegensatz dazu polytheistisch sind. Welche besonderen Konsequenzen ergeben sich für Religionen, in denen man nur an einen Gott glaubt? Warum ist es weniger gefährlich, an mehrere Götter als nur an einen einzigen zu glauben? Ein Gott als eine Art Diktator, dem man bedingungslos gehorchen muss, im Gegenzug zu mehreren Göttern mit mehreren Eigenschaften und Ansprüchen, wo sich jeder den oder die Götter aussuchen kann, die ihm am sympathischsten sind.                                                                                    
  • Ebenfalls auf der Seite 210 taucht der Begriff „Erbsünde“ auf, ohne dass er näher erklärt wird. Aus dem Kontext des Artikels „Gott wird Mensch“ könnte man meinen, unter Erbsünde wäre zu verstehen, der Gottessohn hätte die Sünden (=schlechte Taten) von den Menschen geerbt. (Wie geht das eigentlich? Meine verstorbene Omi kann doch auch nichts mehr von mir erben?) Unter Erbsünde ist jedoch zu verstehen, dass man im Christentum meint, sogar Neugeborene wären mit einer Erbsünde befleckt (schlechte Taten von den Eltern und letztlich von den ersten Menschen – im christlichen Glauben von Adam und Eva – geerbt). Deshalb tauft man sie, weil man meint, ihnen damit die Erbsünde auszutreiben. Die Idee einer Erbsünde geht allerdings erst auf Augustinus zurück, geb. im 4. Jh. u.Z. In den ersten 400 Jahren des Christentums war nie die Rede von einer Erbsünde. Man sollte das den Schülern begreiflicher machen: Babys, die niemandem etwas getan haben, kommen nach dem Christenglauben mit einer Erbsünde befleckt auf die Welt. Man tauft sie, wäscht ihnen damit also die so genannte Erbsünde ab, bzw. praktiziert damit eine Art Exorzismus. Später erzählt man ihnen, da wäre einer extra für sie gestorben, besonders brutal hingerichtet worden, damit man ihnen ihre Erbsünde austreiben konnte, ihre Schuld, die sie trugen, ohne selbst „gesündigt“ zu haben. So manches Kind, das wirklich gläubig erzogen wird, leidet unter dieser Last. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Kinderbuchautor Janosch, der sich dazu in Wort und Karikatur äußerte. Eine anschauliche Erzählung über die Nöte der betroffenen Kindern gibt auch Tilmann Mosers Buch: „Gottesvergiftung“, das in einem anderen Ethiklehrbuch thematisiert wurde.                                                    
  • Es sollte auch auf die Bewertung der Behauptung, jemand würde uns damit seine Liebe zeigen, indem er seinen Sohn gewaltsam hinrichten lässt, hingearbeitet werden. Was haben wir davon zu halten? Welche Auswirkungen können solche Behauptungen haben, erst recht, wenn sie einem unfehlbaren Gott zugesprochen werden? Wie passt das zu unseren heutigen ethischen Standards?                                                                                                                                            
  • Im Abschnitt „Die Auferstehung“ wird von einem Glauben an ein Leben nach dem Tod geschrieben. In diesem Zusammenhang hätte man auch thematisieren sollen, welche praktischen Konsequenzen der Glaube vieler Menschen an ein Leben nach dem Tod hat. Wie wird er im Christentum ausgenutzt? Man soll keine Schätze auf Erden sammeln, man wird ja nach dem Tod dafür belohnt. Wo sind all die Schätze, die die gläubigen Menschen abgegeben haben, wirklich gelandet? Wie hoch war und ist der Anteil, der wirklich für soziale Zwecke investiert wird? Macht es einen zu einem uneigennützigen Menschen, wenn man aus Gottesfurcht oder auch aus dem Streben nach einer Belohnung nach dem Tod etwas von seinem Eigentum abgibt? Aus welchen Gründen spenden nicht gläubige Menschen? Wie sollten wir mit dem Phänomen umgehen, dass sehr häufig die Machthabenden Geld für Bedürftige einsammeln und später nach Abzweigung in die eigenen Taschen nur zu einem geringen Anteil die Spenden an Bedürftige austeilen. – Hier haben wir ein Thema, das wieder zum Begriff „Ethik“ zurück kehrt.                                                                                                                        
  • Zum islamischen Glauben im Zusammenhang mit dem Tod steht auf der Seite 211 ein Abschnitt über den Glauben an den jüngsten Tag. Das jedoch ist auch ein christlicher Glaube. Warum wurde das hier als so speziell islamisch gekennzeichnet?                                                  
  • Das Abdrucken der  Einstellung des Epikur zum Tod auf S. 215 möchte ich positiv hervorheben. Nur so kann ein Ethikunterricht neutral sein, indem er nicht nur schreibt, was Gläubige zum Tod denken, sondern auch ganz logische nichtreligiöse Einstellungen zum Tod behandelt: „Dem Tod, dem am meisten gefürchteten Übel, müssen wir daher nicht mit Sorge begegnen; denn, so lange wir sind, ist der Tod noch nicht, und wenn der Tod ist, sind wir nicht mehr.“                           
  • Auf der Seite 222 gibt es Definitionen der Begriffe „Kirche“ und „Freikirchen“. Als wichtiges Kennzeichen einer Freikirche steht dort, ist die unmittelbare Ausrichtung am Neuen Testament zu sehen (Bibel ist alleiniges Gotteswerk). Sind denn die Nicht-Freikirchen nicht auch unmittelbar an der Bibel ausgerichtet?                                                                                                 
  • Eine Definition des Begriffes „Sekte“ halte ich für unerlässlich für den Ethikunterricht. Eben, damit man es selbst überprüfen kann, ob man es mit einer Sekte zu tun hat oder nicht. Während die anderen von mir studierten Ethiklehrbücher keine Begriffserklärung zur Sekte haben, hat das Autorenteam von „Abenteuer Ethik“ eine Definition abdrucken lassen.                   
  • Hingegen war ich entsetzt, als ich die Antwort eines Matthias Schulz (Wer ist das? Wessen Interessen vertritt er?) zu der Frage: „Warum verbreitete sich das Christentum so rasant?“ auf der Seite 223 las: „Das Angebot der Fürsorge und Nächstenliebe wirkte wie Sozialkitt im Römischen Reich. Es milderte die Rassenunruhen und Spannungen.“  Das so zu erklären, kann nicht mehr als grob fahrlässig durchgehen. Wenn man der Frage nachgeht, wie sich das Christentum verbreitet hat, muss man insbesondere auch der Frage nachgehen, wie es verbreitet wurde. Keine Religion hat durch ihre Verbreitung zu so viel Blutvergießen geführt, wie das Christentum!                                                                                                                        
  • Die Diskussionsaufforderung 4 auf Seite 223 lautet: „Warum bekennt sich weltweit eine Mehrheit der Menschen zum Glauben an die „Wirksamkeit“ transzendenter Mächte“? Kann man leben, ohne (an irgendetwas) zu glauben? – Bei dieser Diskussion halte ich es für geboten, den Schülern etwas auf die Sprünge zu helfen. Denn allzu oft enden solche Diskussionen so, dass man sagt, auch nicht gottesgläubige Menschen glauben an irgendetwas (z.B. an wissenschaftliche Erkenntnisse oder daran, dass es morgen früh wieder hell wird), also sind wir alle gleich. Ein Glauben an transzendente Mächte und ein Glauben daran, dass der Käse stinkt – das ist nicht das Gleiche!                                                                                                                         
  • Einen Erfahrungsbericht zum Thema „Sekten“ – „Endlich draußen“ finden wir auf Seite 225. Erfahrungsgemäß wird zwischen den großen christlichen Sekten und den kleinen Sekten anderer Art eine Schwarz-Weiß Malerei betrieben. Dass auch die großen Sekten mit den kleinen ziemlich viel gemeinsam haben, das könnten wir sehr schön an so einem Erfahrungsbericht erkennen. Man könnte den Schülern also durchaus die Aufgabe geben, nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den hierzulande anzutreffenden kleinen und großen Sekten zu suchen. Bisher ist das leider im Lehrbuch so noch nicht vorgesehen.                                                    
  • Auf den Seiten 229 und 230 gibt es unter der Überschrift „Dialog der Religionen“ einen interessanten Bericht über die Schule Thalitha Kumi in der Nähe von Betlehem. An dieser vom Berliner Missionswerk unterstützten Schule werden Kinder aus muslimischen und christlichen Familien gemeinsam unterrichtet und sie lernen dort, friedlich miteinander umzugehen. Das klingt auf den ersten Blick sehr sozial und wer es nicht besser weiß, der sollte meinen, es wäre geradezu eine Eigenschaft des Christentums, mit anderen Religionen gut auszukommen. – Für wen ist es hilfreich, wenn solche Berichte unreflektiert an Schüler weiter gereicht werden?
  • Ich schlage vor, dass sich die Schüler neben der Feststellung, dass es lobenswert ist, wenn sich Menschen dafür einsetzen, dass Schüler in von Gewalt gezeichneten Krisengebieten lernen, trotz religiöser Unterschiede friedlich miteinander zu leben, auch mit dem Auftrag des Berliner Missionswerkes befassen. – „Gehet hin und lehret alle Heiden und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ steht über dem Eingang des Missionswerkes. [8] Es geht hier also nicht um pure Uneigennützigkeit. Es geht darum, das Christentum auch dort zu verbreiten, wo die Menschen einen anderen Glauben haben. Und da sich Menschen am besten davon überzeugen lassen, wenn man ihnen freundlich wohlwollend gegenübertritt, nutzt man eben auch diese Möglichkeiten. Die christlichen Missionswerke unterstützen mit Hilfe der Spenden vieler Menschen aus dem Volk zahlreiche Schulen in armen Ländern und missionieren so ganz nebenbei. Da stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn Menschen für Schulen in armen Ländern spenden, ohne dass christliche Missionare da involviert sind. Dann könnten die Kinder der armen Länder lesen, schreiben, rechnen und einen friedvollen Umgang ganz ohne Missionierung lernen. Dass die Missionierung gerade in solchen Gebieten, in denen die Menschen vorher schon an Geister geglaubt haben, nicht immer glücklich endet, zeigen uns zum Beispiel die Teufelsaustreibungen an Kindern in Afrika, z.B. im Kongo, in Kinshasa, Nigeria, Uganda und Tansania. [9], [10]  – Die biblische Lehre, dass Menschen, die von der Norm abweichen, vom Teufel besessen sind und dass sie gesund werden, wenn ihnen dieser Teufel ausgetrieben wird, schlägt hier auf fruchtbaren Boden.  Ich schlage ebenfalls vor, zu analysieren, ob es wirklich ein Merkmal des Christentums ist, für ein friedliches Miteinander von Religionen einzutreten. Gleich am Anfang der 10 Gebote steht: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation“. [11]  Wie passt das zum heutigen Dialog der Religionen?
  • Warum lernen die Schüler in Thalitha Kumi nichts darüber, dass es auch Menschen gibt, die frei sind von Religion und dass man auch mit diesen Menschen friedlich auskommen muss?    
  • Ab der Seite 231 wird nochmals das „Projekt Weltethos“ des Hans Küng thematisiert. Das Projekt Weltethos wird hier in einem Schaubild mit den Menschenrechten gleich gestellt. Nach dem Schaubild sollen die Menschenrechte basieren auf 5 namentlich genannten Religionen, Natur- und Stammesreligionen und – man höre und staune – auch auf nicht religiösen Lebensauffassungen. Dieses Schaubild ist jedoch viel zu sehr vereinfachend. Zwar haben auch Religionen ihre Spuren in den Menschenrechten hinterlassen, jedoch dürften die wesentlichen Punkte in den Menschenrechten eher nichtreligiösen Ursprungs sein und mussten gegen den Widerstand gerade der am meisten verbreiteten Religionen hart erkämpft werden.  
  • Zitat S. 231: „Wie könnte jemand auf die Idee kommen, den verschiedenen Religionen die Grundlage für ihr Glauben und Leben, Denken und Handeln entziehen zu wollen?“ -> Soll das Ironie sein? (Missionswerke)       
  • Zitat: S. 231: „Diese heiligen Schriften bieten sozusagen ein Maximalethos, demgegenüber die Weltethos-Erklärung nur ein Minimalethos zu bieten hat.“ -> Die Heiligen Schriften sind wirklich ein Maximalethos? Mit all ihrer Gewalt, ihren Morddrohungen, ihrer Bevorzugung der eigenen Anhänger, mit ihrer Intoleranz und mit ihrer Diskriminierung von Frauen? Ist das wirklich der Ernst auch des Autorengremiums von „Abenteuer Ethik“? Haben die Autoren des Lehrbuches die so genannten Heiligen Schriften gelesen?                             

Glossar

  • Erbsünde: Man hätte noch dazu schreiben sollen, dass nach dem christlichen Verständnis diese Erbsünde jedem neu geborenen Kind anhaftet und dass man sie den Kindern mit der Taufe abwäscht. Wenn man die Sünde mit dem Teufel gleich setzt, ist die Taufe somit eine Art unblutige Teufelsaustreibung.                                                                                                                                                                                                                                                   
  • Galilei, Galileo: Warum schreibt man hier nur, dass er zum Widerruf seiner Lehre gezwungen wurde und nicht, dass er von der Kirche zum Widerruf gezwungen wurde? Den Begriff „Inquisition“ versteht nicht jeder und er selbst wurde auch nicht im Glossar erläutert.                       
  • Gewalt: Gibt es Gewalt wirklich nur in Form von körperlichen oder verbalen Attacken? Ist man nur Täter, wenn man bewusst seine eigene Macht demonstriert? Und gelten die Attacken wirklich nur dann als Gewalt, wenn körperliche und seelische Schäden beim Opfer zurück bleiben und wenn diese schwer sind?                                                                                                      
  • Idealismus: Man hätte darauf hinweisen können, dass das Gegenstück dazu der Materialismus ist. Auch hätte man hier noch auf den Idealismus verweisen können, der eher in unserem alltäglichen Sprachgebrauch zu finden ist, den ethischen Idealismus. Eine Lebenseinstellung, bei der ein Mensch altruistischen Ideen bzw. Idealen folgt und nicht egoistisch nach materiellen Gütern strebt.

Mit der größten Hoffnung auf eine qualitative Verbesserung der Ethiklehrbücher und des Ethikunterrichtes

Beate Turner

[1] http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/taize-auf-speed/

[2] http://www.bibel-online.net/buch/02.2-mose/20.html

[3] http://www.bibel-online.net/buch/02.2-mose/22.html#22,17

[4]  Gerhard Streminger: Die Jesuanische Ethik, in: Edgar Dahl: „Die Lehre des Unheils“

[5] http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,685376,00.html

[6] http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/libertarian/allgemein/2010-08-23/gibt-es-ein-recht-auf-ein-gesundes-kind/page/4

[7] http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/ee5fb4c5-54b6-4867-8a62-95c0b21f7253.aspx

[8] http://www.berliner-missionswerk.de/berliner-missionswerk.html

[9] http://diepresse.com/home/panorama/welt/454502/Afrika_Wenn-der-Aberglaube-den-Tod-bringt

[10]  http://www.youtube.com/watch?v=wa9YAdXtZrY und

http://www.youtube.com/watch?v=Az0iv86GQGw&NR=1 , http://www.youtube.com/watch?v=YrSpmMulG38 , http://www.youtube.com/watch?v=lQ9pzr3C4Sc&feature=related , http://www.youtube.com/watch?v=plP3cNe86rI&feature=related – „Hexenkind – Folter im Namen Jesu“ (5 Teile) – ausgestrahlt von arte in 2006

[11] 1.Gebot der 10 Gebote. Exodus, 20; 3-5

www.reimbibel.de/BT5.htm