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Ergänzendes zur Kritik an Lehrbüchern für den Ethikunterricht in Berlin

von Beate Turner

Vorwort

Ich bin Mutter von 2 Söhnen im Grundschulalter, interessiert an philosophischen Fragestellungen, engagiere mich für die Menschenrechte im Bereich Bioethik und ich bin Atheistin. Leider musste ich feststellen, dass die christlichen Kirchen in Deutschland und ihre in der Politik engagierten Anhänger durch ihre Einflussnahme auf die deutsche Gesetzgebung auch nichtreligiöse Menschen und Anhänger anderer Religionen bevormunden.

Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, gemeinsam mit dem Dialogforum Ethik darauf hinzuwirken, dass unsere Kinder, die Entscheidungsträger von morgen, in den Genuss eines ideologisch unbeeinflussten und weltanschaulich neutralen Ethikunterrichtes kommen. Ich möchte damit einen Beitrag leisten zu einer Welt, in der nicht nur religiöse Menschen respektiert werden, sondern auch alle Andersdenkenden, sowie Menschen mit menschlichen Bedürfnissen, die bisher immer noch wenig Anerkennung erfahren.

Deshalb habe ich 4 Lehrbücher für das Unterrichtsfach Ethik, die in Berlin in der 9. und 10. Klasse eingesetzt werden, genau unter die Lupe genommen. Meine Kritiken werden im Dialogforum Ethik erörtert, an den Berliner Senat weiter gereicht, an die Schulbuchverlage, sowie an weitere Stellen, die zum Erreichen einer verbesserten Qualität des Ethikunterrichtes beitragen können.

Dieses Papier spricht Fragen an, die über den bisherigen Inhalt der Ethiklehrbücher hinaus gehen und enthält Hinweise grundsätzlicher Art, die alle Lehrbücher betreffen und die in den einzelnen Kommentaren zu den Lehrbüchern zu kurz gekommen sind.

In der Hoffnung, mit meiner Arbeit zur Verbesserung der Qualität des Berliner Ethikunterrichtes beizutragen

Beate Turner

Grundsätzliches

Der Ethikunterricht in Berlin wurde vor wenigen Jahren in Reaktion auf einen Ehrenmord an einer jungen Türkin eingeführt. Eins der Hauptanliegen des Ethikunterrichtes ist es, Verständnis zwischen den Anhängern verschiedener Weltanschauungen und Religionen zu schaffen.

Ein friedliches Miteinander von jungen Menschen verschiedener Weltanschauungen sollte jedoch nicht damit erkauft werden, dass man sämtliche kritikwürdige Aspekte dieser Anschauungen verschweigt. Die praktische Umsetzung des Rahmenlehrplanes in vier von mir durchgearbeiteten Ethiklehrbüchern (drei davon wurden speziell für Berlin gedruckt) sieht so aus, dass man generell darum bemüht ist, Religionen im schönsten Licht erstrahlen zu lassen. Nur sehr wenig und sehr dezente Kritik ist in diesen Büchern enthalten.

Ich halte es für notwendig, dass sich die jungen Menschen auch mit kritischen Aspekten auseinandersetzen. Nur so können sie sich, sofern sie bisher dieser Religion zugehörig waren, wirklich frei entscheiden, ob das wirklich ihre Religion für´s Leben ist oder inwiefern sie sich wenigstens von speziellen Punkten, wie z.B. von Gewalt distanzieren wollen. Religionskritik sollte und darf nicht dazu benutzt werden, um Jugendliche, deren Familien dieser gerade kritisierten Religion angehören, zu diskriminieren. Man kann und sollte diesen Menschen trotzdem respektvoll begegnen. Eine Kritik an der Religion eines Menschen ist nicht zwangsläufig eine Kritik an der Person dieses Menschen, schon gar nicht bei jungen Menschen, die ja noch im Sinnfindungsprozess für ihr Leben sind und bisher nur positive Seiten „ihrer“ Religion vermittelt bekommen haben. Es ist einfach so, dass man auch lernen muss, konstruktive Kritik auszuhalten und positiv für sich selbst zu verwerten. Schüler haben einen Anspruch auf Wissen! Sie gehen zur Schule in dem Glauben, echtes Wissen vermittelt zu bekommen. Dazu gehören auch kritikwürdige Aspekte an ihrer Religion. Im Religionsunterricht haben sie darüber gewiss nichts gelernt. Ist es fair / ethisch, jemanden für eine Gruppe anzuwerben, indem man ihm die Schattenseiten vorenthält? Die von mir studierten Schulbücher unterstützen in der aktuellen Fassung die Missionierung. Das jedoch darf nicht Gegenstand des Ethikunterrichtes sein.

Nicht verkennen darf man, dass es auch Schüler gibt, die an religiöser Unterdrückung leiden. Die Autoren der Ethiklehrbücher passen außerordentlich auf, religiöse Gefühle nicht zu verletzen. Aber was ist mit den Gefühlen des Mädchens aus einem muslimischen Elternhaus, das gegen seinen Willen ein Kopftuch tragen muss und vielleicht schon bei einer älteren Schwester gesehen hat, das diese gegen ihren Willen verheiratet wurde und das nun im Ethiklehrbuch „Eine Welt für alle“ die Geschichte eines Mädchens liest, das aus eigener Überzeugung Kopftuch trägt? [1] Alles gut, alles schön? Verständnis? Für wen? Es darf eben nicht vergessen werden, dass nicht alle Anhänger einer Religion dies auch freiwillig sind. Wie geht es dem Kind, das mit seinen Eltern aus einem muslimischen Land fliehen musste, vielleicht sogar vor einer drohenden Steinigung? Wie geht es diesem Kind bei dieser „Ich bin stolz auf mein Kopftuch“ – Geschichte? Wie geht es einem Kind, das um seine Entstehung im Reagenzglas weiß, wenn es sich im Zusammenhang mit seiner Entstehungsgeschichte die eindeutig christlich motivierten Klonphantasien einer Charlotte Kerner oder Birgit Rabisch anhören muss? Was fühlt ein Kind aus einer jüdischen Familie, wenn im Ethikunterricht das Verantwortungslaudatio des Holocaustleugner rehabilitierenden Papstes Ratzinger behandelt wird? [2]  Wie fühlt sich ein Jugendlicher, in dem gerade homosexuelle Gefühle erwachen und der über die religiöse Diskriminierung von Homosexualität weiß, wenn man ihm im Ethikunterricht in den wohl klingendsten Tönen Akzeptanz dieser Religionen beibringen will? Wie ernst kann er den gesamten Ethikunterricht dann noch nehmen? Wie wirkt die Kritikunterdrückungstaktik auf einen Schüler, der von seinen Eltern erfahren hat, dass diese in einem christlichen Heim sexuell misshandelt wurden? – Ein großer Teil dieser Schüler wird nicht den Mut haben, um sich zu melden und zu sagen: „Schaut auf mich! Bei mir ist das anders herum“! Der Ethikunterricht sollte nicht nur Respekt vor religiösen Gefühlen zum Ziel haben, er sollte Respekt vor sämtlichen Gefühlen, die ein Mensch empfinden kann, entfachen. In unserem Land gibt es immer noch aufgrund von verbreiteten Vorurteilen diskriminierte Minderheiten, wie z.B. homosexuelle, transsexuelle und intersexuelle Menschen. Es sollte unbedingt eine Aufgabe des Ethikunterrichtes sein, die Probleme dieser Menschen zu thematisieren, um Verständnis zu schaffen und die Unterdrückung abzuschaffen!

Im Prinzip ließe sich Frieden stiften zwischen den Anhängern aller Religionen und Weltanschauungen, wenn man sie dazu erziehen könnte, eine erweiterte goldene Regel zu beachten. Die in den Lehrbüchern vermittelte goldene Regel reicht nicht aus. Denn danach dürfen wir anderen nur das nicht antun, was wir selbst nicht ertragen wollten. Nun sind aber die Bedürfnisse von Menschen verschieden. Einem Christen tut es nicht weh, wenn er kein Kopftuch tragen darf, einen Atheisten tangiert es nicht, wenn er nicht beten darf, heterosexuelle Menschen haben kein Problem damit, wenn sie nicht mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zusammen leben dürfen und wer sich keine Kinder wünscht, den stört es nicht, wenn man reproduktionsmedizinische Maßnahmen verbietet. Eine erweiterte goldene Regel erwartet von uns, dass wir allen unseren Mitmenschen ein Leben entsprechend ihren persönlichen Bedürfnissen zugestehen. Anders herum sollte niemandem etwas aufgedrängt werden, was seinen Bedürfnissen widerspricht und was nicht notwendig ist. Eine Grenze ist dort zu sehen, wo die Auslebung individueller Bedürfnisse andere Menschen schädigt oder an der Auslebung ihrer Bedürfnisse hindert. Für Religionen bedeutet das, dass jeder seine Religion leben darf, ohne jedoch andere dabei in Mitleidenschaft zu ziehen. Blutrache wäre nicht mehr möglich, weil der Moslem es respektieren müsste, wenn seine Schwester sich vom Islam abkehrt. Eine Kirche dürfte danach nicht mehr aufgrund einer geglaubten Gottesebenbildlichkeit totkranken und leidenden Menschen das selbst bestimmte Sterben verbieten. Und selbstverständlich dürften homosexuelle Menschen nicht vom Rest der Menschheit verlangen, ebenfalls homosexuell zu leben. Wenn ein solcher Zustand erreicht wäre, hätte auch niemand mehr ein Problem damit, mit andersartigen Menschen auszukommen und diese zu akzeptieren.

Darüber hinaus bitte ich, darauf zu achten, dass keine geschichts- oder sachverfälschenden Inhalte vermittelt werden. So beantwortet das Buch „Abenteuer Ethik 2“ die Frage, warum sich das Christentum so rasant verbreitet hat, so: „Das Angebot der Fürsorge und Nächstenliebe wirkte wie Sozialkitt im Römischen Reich. Es milderte die Rassenunruhen und Spannungen. Attraktiv war der neue Glaube vor allem für Frauen.“ [3] – Haben die Verfasser dieses Buches wirklich noch nie etwas über die Christianisierung gelesen? Ist es ethisch, wenn man die Unterdrückung der Frau im Christentum, die selbstverständlich nicht in dem Buch behandelt wird, einfach so mit einem „attraktiv“-Statement in ihr Gegenteil verkehrt? Ist es ethisch gegenüber den Opfern, wenn man die vielen Blut- und Erpressungstaten, die zur Verbreitung des Christentums begangen wurden, verschweigt? [4]

In der Auseinandersetzung mit einer Religion bzw. einer Ideologie oder Weltanschauung sollten wir uns immer fragen:

  • Was für eine Rolle spielt diese Religion / Ideologie / Weltanschauung in der Geschichte?
  • Was ist daran Wissenschaft, was ist Mythos?
  • Was wird behauptet? Was ist schlüssig? Was ist unlogisch?
  • Wie geht man mit Andersgläubigen bzw. Andersdenkenden um? Welche Anweisungen zur Auseinandersetzung mit Andersdenkenden enthalten die heiligen (unantastbaren) Schriften und wie werden diese von den Religionsführern und den Gläubigen bzw. den Anhängern der Religion, Ideologie oder Weltanschauung umgesetzt?

Können wir Probleme beseitigen, indem wir sie einfach nicht ansprechen? Nein! Es ist ein ganz allgemeines Problem unserer Gesellschaft, dass Religionskritik tot geschwiegen wird. Wir sollten dem nun ein Ende setzen und unsere Heranwachsenden zur Aufrichtigkeit erziehen, indem auch wir Erwachsenen aufrichtig sind!

Auseinandersetzung mit speziellen Fragen

  1. Ist Menschenwürde kulturabhängig?

Um diese Frage beantworten zu können, sollte man erst mal definieren, was Menschenwürde ist. Zu der Frage habe ich schon Beiträge beim Dialogforum Ethik abgegeben. Natürlich, wenn jede Kultur oder Religion Menschenwürde anders definiert, wird sie kulturabhängig. Es ist begrüßenswert, wenn der Begriff der Menschenwürde in dem Zusammenhang behandelt wird.

Das von der Senatsverwaltung für Bildung Wissenschaft und Forschung herausgegebene Heft: „Ethische Reflexionen“, das auf dem Treffen des Dialogforums Ethik im Juli 2010 verteilt wurde, enthält zum Thema Menschenwürde einen lesenswerten Artikel von Prof. Dr. Ralf Stoecker. Ebenfalls bietet dieser im Spiegel erschienene Artikel von Edgar Dahl: „Die Würde des Menschen ist antastbar“ [5] einen guten Einstieg in das Thema.

Zu der Frage, ob Ethik kulturabhängig ist, habe ich für Sie eine gelungene Aussage des Ethnologen Melville J. Herskovits gefunden, der bereits 1947 feststellte: „Maßstäbe und Werte sind relativ auf die Kultur, aus der sie sich herleiten. Daher würde jeder Versuch, Postulate zu formulieren, die den Überzeugungen oder dem Moralkodex nur einer Kultur entstammen, die Anwendbarkeit einer Menschenrechtserklärung auf die Menschheit als ganze beeinträchtigen.“ [6]

  • Sind Religion und religiöser Fundamentalismus zwei verschiedene Dinge?

Was ist Fundamentalismus? Fundamentalismus ist eine Bewegung, die eine Rückbesinnung auf die Wurzeln einer bestimmten Religion oder Ideologie fordert. Was aber ist eine Religion ohne ihre Wurzeln? Bezogen auf das Christentum ist Fundamentalismus eine Forderung nach der Rückbesinnung auf die Bibel. Die Bibel wird heute immer noch auch von den Großkirchen in ihrem gesamten Inhalt anerkannt:

„… Da also alles, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt zu gelten hat, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, dass sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unsres Heiles willen in den Heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte.“ [7]  

„… und bleibt allein die Heilige Schrift als der ein(z)ig Richter, Regel und Richtschnur, nach welcher als dem ein(z)igen Probierstein sollen und müssen alle Lehren erkannt und geurteilt werden, ob sie gut oder bös, recht oder unrecht seien“ [8]

„Der biblische Gottesglaube ist in sich stimmig, ist zugleich rational verantwortbar und hat sich in einer mehrtausendjährigen Geschichte bewährt.“ [9]

  • Ist das kein Fundamentalismus?

„Dabei überwiegen im Übrigen, fast immer übersehen, die inhumanen Aspekte. Dies zeigt sich z.B. beim Thema inhumaner Gewalt daran, dass der biblische Gott, bekanntlich auch nach christlicher Auffassung die Verkörperung des höchsten und letztverbindlichen ethischen Maßstabes, etwa an 1000 (!) Stellen … „mit Tod und Untergang bestraft, wie ein fressendes Feuer Gericht hält, Rache nimmt und Vernichtung androht“, dass dieses Alte Testament über 100 weitere Stellen aufweist, „in denen Jahwe ausdrücklich befiehlt, Menschen zu töten“ (immer wieder übrigens im Rahmen eines befohlenen Völkermords).“ [10]

Fundamentalismus heißt auch, was geglaubt werden soll, darf nicht hinterfragt werden, ein Absolutheitsanspruch. Die Bibel ist laut Ansicht der Kirchen nicht hinterfragbar.

Was also z.B. am Christentum können wir als nicht fundamentalistisch betrachten? Das Christentum gewiss nicht, die Kirchen erst recht nicht. Bleiben nur die vielen kleinen gläubigen Menschen, die sowieso nicht so richtig wissen, was sie da eigentlich glauben, die eigentlich nur an höhere Mächte glauben und sich dann eben der Religion zugehörig fühlen, in die sie hineingeboren wurden oder die für sie gerade greifbar war. Ja, das wäre nicht fundamentalistisch. Nicht fundamentalistisch sein, heißt für Menschen, die sich sonst zu einer bestimmten Religion bekennen, dass sie humanisiert sind und ihre Religion nicht ernst nehmen. In keinem der Lehrbücher, die ich studiert habe, kam das jedoch so rüber.

Vielleicht hilft es, den Begriff Fundamentalismus zunächst im Unterricht zu klären und dann anhand verschiedener Beispiele (Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Christian Wulff, Kardinal Meisner) Stufen des Fundamentalismus auszuarbeiten.

  • Zur Forderung, „den Lebensbereich der Religionen auch im Unterricht als lebenswerten Sinnentwurf zu präsentieren und in Folge hiervon das Verständnis für religiöses Engagement anderer zu fördern.“

Der Ethikunterricht sollte keine Werbeveranstaltung für eine Religion werden. Die meisten religiösen Menschen haben sich nicht frei für „ihre“ Religion entschieden, sondern sie wurden dort hineingeboren. Insofern ist ihre Religion für sie kein Sinnentwurf, sondern sie machen einfach nur das weiter, was sie aus ihrer Familie kennen. Und religiöses Engagement hat verschiedene Facetten. Wenn es – z.B. bei einer missionarischen Religion – ein Engagement um Indoktrinierung anderer ist, muss man dafür meines Erachtens kein Verständnis aufbringen. Wenn es um soziales Engagement geht, dann sollte das Verständnis selbstverständlich gefördert werden. Sozial engagieren kann man sich aus verschiedenen Gründen. Oft ist es Mitleid (mit dem Betreffenden mit leiden). Manche Menschen begreifen ihr soziales Engagement als religiös motiviert. Letztlich ist es egal, warum jemand einen sozialen Beitrag leistet, wobei man sich schon fragen kann, ob ein soziales Engagement aus Furcht vor Gottes Strafe nicht traurig für diesen Menschen ist. Es kommt letztlich aber darauf an, dass sich Menschen sozial engagieren. Dass Religionen besonders geeignet wären, damit Menschen Gutes tun, das jedoch muss bezweifelt werden. Werte wie Demokratie und individuelle Selbstbestimmung z.B. entstammen nicht dem Christentum. Sie mussten sogar gegen die Machtansprüche der Kirchen erstritten werden. Verschiedene Umfragen haben zudem ergeben, dass religiöse Menschen im Schnitt nicht sozialer handeln als nicht religiöse Menschen. Daher ist es unfair, soziales Engagement im Allgemeinen einer Religiosität zuzuordnen. Die Wertung des sozialen Engagements vieler kirchlicher Einrichtungen relativiert sich, wenn man deren Finanzquelle kennt und wenn man sich mit der Geschichte des edlen Samariters beschäftigt hat (Wer verhält sich sozial – der Samariter oder der Wirt?).

  • Ist gegenüber Menschen aus fremden Religionen und Weltanschauungen eine Haltung des Respekts, der Akzeptanz und Toleranz zu entwickeln?

Gegenüber harmlosen Menschen sollte es immer Akzeptanz geben. Gegenüber Religionen, die meist auch viel mit Gewalt zu tun haben, muss aber niemand Akzeptanz entwickeln. Gewalt ist etwas, was wir keineswegs akzeptieren sollten. Da könnte man mit Nietzsche kommen: „Ohne Zweifel ist heute eine sehr viel größere Anzahl von Überzeugungen möglich als ehemals; möglich, das heißt erlaubt, das heißt unschädlich. Daraus entsteht die Toleranz gegen sich selbst.“ Das heißt, insoweit Religionen unschädlich sind, sollten wir sie – zumindest tolerieren. Zwischen Tolerieren und Akzeptieren besteht aber ein Unterschied. Tolerieren heißt nur: dulden. Akzeptieren hingegen heißt: anerkennen. Ich meine, eine Religion, die auch Gewalt und Unterdrückung beinhaltet, die mich selbst als Atheistin nicht anerkennt, die mir vorschreibt, wie ich zu leben und zu sterben habe, muss ich nicht anerkennen. Ich möchte auch nicht in einem Ethikunterricht bedrängt werden, dass ich diese Religion trotzdem anerkennen soll. Ich kann eine solche Religion aber dulden, soweit sie weder Gewalt noch Unterdrückung ausübt und sobald sie mir keine Vorschriften mehr macht. Gegenüber Menschen verhält sich das mit der Toleranz etwas anders. Dulden heißt beleidigen. Das weiß ich von meiner transsexuell geborenen Freundin, die sehr stark darunter leidet, dass sie in diesem Land auch heute noch allenfalls geduldet, aber nicht als die, die sie ist, akzeptiert wird. Einen religiösen Menschen, der nichts weiter tut, als seine Religion für sich selbst nicht missionarisch zu leben, könnte ich daher auch akzeptieren. Einen religiösen Menschen hingegen, der über diese Grenze hinaus seine Religion lebt, indem er missioniert oder gar versucht, anders denkende Menschen in ihren Rechten zu beschneiden oder auszugrenzen, wie z.B. den Bundespräsidenten, der atheistische Menschen verleugnet, den kann ich nicht akzeptieren. Ebenfalls kann ich solche Menschen nicht akzeptieren, die Kinder misshandeln oder Ehrenmorde begehen. Ich vertrete auch nicht die Auffassung, dass unsere Kinder dazu gebracht werden sollten, Akzeptanz gegenüber solchen Menschen zu entwickeln. Viel eher sollten sie lernen, zu differenzieren und sich gegen Gewalt und Bevormundung, aber auch gegen Ignorantentum in der Politik aufzulehnen.

Bisherige Forderungen des Dialogforums Ethik, die ich unterstütze:

– eine gebührende Darstellung atheistischen und weltlich humanistischen Gedankengutes

– Die mediale Dauerpräsenz von fundamentalistischen Anschlägen verlangt eine Bearbeitung auch im Ethikunterricht, die ohne Grundwissen zu Religion und Religionen kompetent nicht zu leisten ist.

– keine Beschränkung der Kooperation auf nur diejenigen Gemeinschaften, die mit konfessionellem Unterricht an Schulen präsent sind

– Das 1:1:1-Modell muss vom Senat mit sofortiger Wirkung verboten werden, und zwar mit einer rechtsförmigen und eindeutigen Erklärung (Erlass).

– Bestimmung von thematischen Schwerpunkten und unter ihnen solchen, welche obligatorisch und die in etwa 50-60 % der Unterrichtszeit abzuarbeiten sind.

zusätzliche Forderungen:

– Auch gegenüber religionsfreien Menschen und gegenüber Menschen, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, ist eine Haltung des Respekts, der Akzeptanz und Toleranz zu entwickeln.

– Einführung einer erweiterten goldene Regel, nach der wir allen unseren Mitmenschen ein Leben entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zugestehen.

– Eine umfassende Auseinandersetzung auch mit Religionskritik.

– Respekt vor den Gefühlen auch solcher Menschen, die durch religiöse Gewalt verletzt wurden.

– Abkehr von selektiver Religionsvermittlung und einer dadurch bewirkten Missionierung im Unterricht.

– Keine Vermittlung von geschichts- oder sachverfälschenden Inhalten zur Verschleierung religiöser Gewalt.

– Respekt vor Atheisten, Agnostikern und Anhängern von Religionen, die nicht zum Christentum gehören,  durch Ablösung der Zeitangaben v. Chr. und n. Chr. durch v.u.Z. und u.Z. oder Ähnliches.

In der Auseinandersetzung mit einer Religion bzw. einer Ideologie oder Weltanschauung sollten wir uns immer fragen:

– Was für eine Rolle spielt diese Religion / Ideologie / Weltanschauung in der Geschichte?

– Was ist daran Wissenschaft, was ist Mythos?

– Was wird behauptet? Was ist schlüssig? Was ist unlogisch?

– Wie geht man mit Andersgläubigen bzw. Andersdenkenden um? Welche Anweisungen zur Auseinandersetzung mit Andersdenkenden enthalten die heiligen (unantastbaren) Schriften und wie werden diese von den Religionsführern und den Gläubigen bzw. den Anhängern der Religion, Ideologie oder Weltanschauung umgesetzt?

[1] http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/taize-auf-speed/

[2] http://www.bibel-online.net/buch/02.2-mose/20.html

[3] http://www.bibel-online.net/buch/02.2-mose/22.html#22,17

[4]  Gerhard Streminger: Die Jesuanische Ethik, in: Edgar Dahl: „Die Lehre des Unheils“

[5] http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,685376,00.html

[6] http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/libertarian/allgemein/2010-08-23/gibt-es-ein-recht-auf-ein-gesundes-kind/page/4

[7] http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/ee5fb4c5-54b6-4867-8a62-95c0b21f7253.aspx

[8] http://www.berliner-missionswerk.de/berliner-missionswerk.html

[9] http://diepresse.com/home/panorama/welt/454502/Afrika_Wenn-der-Aberglaube-den-Tod-bringt

[10]  http://www.youtube.com/watch?v=wa9YAdXtZrY und

http://www.youtube.com/watch?v=Az0iv86GQGw&NR=1 , http://www.youtube.com/watch?v=YrSpmMulG38 , http://www.youtube.com/watch?v=lQ9pzr3C4Sc&feature=related , http://www.youtube.com/watch?v=plP3cNe86rI&feature=related – „Hexenkind – Folter im Namen Jesu“ (5 Teile) – ausgestrahlt von arte in 2006

[11] 1.Gebot der 10 Gebote. Exodus, 20; 3-5

www.reimbibel.de/BT2.htm