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Kommentar zum Ethiklehrbuch „Leben leben“ (2008)

von Beate Turner

Insgesamt ist dieses Lehrbuch sicher gut dazu geeignet, die Schüler zu kritischem Denken anzuleiten.  Es werden verschiedene Themen – auch religiös vorverurteilte Themen – aufgegriffen, zu denen sich die Schüler aufgrund von Fakten eine Meinung bilden und Akzeptanz entwickeln können. Verschiedene Familienmodelle, Sterbehilfe, Organspende, Menschenrechte, Papst und Kirche sind hier wichtige Themen. Großen Wert wurde auf das Erlernen von Methoden gelegt. Im Themenbereich Werte werden u.a. Werturteile, moralisches Urteilen und Wertklärungsmethoden, sowie ein erhellendes Gedankenexperiment behandelt.

Im Abschnitt „Gewissen und Verantwortung“  wird ein christliches Dogma „Du darfst nicht lügen“ untersucht und an diesem Beispiel gezeigt, dass es immer Ausnahmesituationen geben kann.  Die Frage „Was ist unsere Seele?“ ist eine Kernfrage bei großen bioethischen Themen  und es ist begrüßenswert, dass im Ethikunterricht darüber nachgedacht wird. Enttäuschend ist, dass das Thema Reproduktionsmedizin ohne nähere Erläuterung sofort mit dem Begriff Klonen gekoppelt wird. Ein Fehler, der leider häufig gemacht wird und zur gesellschaftlichen Verteufelung der  in vielen Fällen sehr hilfreichen Reproduktionsmedizin führt.  Das Thema Klonen ist sicher interessant, wird hier aber auch einseitig dargestellt, dazu in einem erdachten Monolog von einer nicht geklonten Schriftstellerin.  Das Buch verweist auf die Seite www.1000fragen.de, die ihrerseits ein umfangreicheres Unterrichtsmaterial zum Thema Bioethik bereit stellt. Dieses Unterrichtsmaterial vermittelt zum Teil Wissenswertes zum Thema Bioethik, ist aber nicht geeignet für den Ethikunterricht, da es an sehr vielen Stellen mit geschickten Strategien versucht, die konservativen Ansichten der Autoren auf die Schüler zu übertragen. Zu dem hier angebotenen Unterrichtsmaterial arbeite ich an einer eigenen Kritik. 

Das  Thema Religionskritik kommt eindeutig zu kurz. Man bleibt bei  klassischen Religionskritikern, wie Nietzsche, Marx, Feuerbach, Freud und Brecht, verzichtet aber leider auf Aussagen heute lebender Religionskritiker, wie z.B.  Hans Albert, Karlheinz Deschner, Franz Buggle, Michael Schmidt-Salomon, Richard Dawkins oder Joachim Kahl. Stattdessen widmet man sich dem umstrittenen Hans Küng mit einer fragwürdigen Aussage, Religion könne Mittel umfassender Aufklärung und sozialer Befreiung sein. Auch das Thema Religion und Politik kommt deutlich zu kurz. Die Einmischung von Religion in unsere Politik spielt sich nicht nur bei den Themen Kruzifixe, Kopftuch und Werteunterricht ab, sondern insbesondere auch in den Bereichen der Bioethik. In Anbetracht der Tatsache, dass unsere ganze Gesellschaft  durchzogen ist von kirchlicher Einmischung, stellen die hier angedeuteten Beispiele geradezu eine Verniedlichung des Problems dar.

Der Tiefpunkt in diesem Ethiklehrbuch ist jedoch das Kapitel: „Die praktische Umsetzung der Nächstenliebe – das soziale Engagement der Kirchen“.  Dieser Abschnitt widerkäut den gesellschaftlichen Mythos, die Kirchen wären sozial. Wer die Studie von Carsten Frerk „Caritas und Diakonie in Deutschland“ gelesen hat, weiß, dass nur 1,8% des Umsatzes von Caritas und Diakonie aus Kirchengeldern kommen und dass nur 5% der deutlich höher steuersubventionierten Kirchensteuern für soziale Zwecke verwendet werden. www.katholisch.de/27177.html weist diesen Anteil sogar nur mit 3,99% aus. Die Kirchen helfen nicht Menschen in Not, sie besitzen „dank“ Subsidaritätsprinzip Dienstleistungsbetriebe, die staatlich finanzierte soziale Dienstleistungen für Menschen in Not erbringen. Sie sind nicht in der Rolle des edlen Samariters, sondern nur in der Rolle des Wirtes. Eines Wirtes, der zudem sehr unsozial zu seinen Mitarbeitern ist (Bezahlung, Bevormundung privater Lebensweise). Wenn all die kirchlichen sozialen Einrichtungen von staatlicher und privater Seite betrieben werden würden, dafür aber die Steuersubventionierung von Kirchensteuern entfallen würde, hätte unsere Gesellschaft deutlich mehr Geld für soziale Dienstleistungen zur Verfügung. Insofern sind kirchliche soziale Leistungen nicht unverzichtbar. – Dieser Abschnitt ist eine eindeutige Fehlinformation und gehört geändert.

www.reimbibel.de/BT6.htm